Zurück zur Auswahl

Weitere Informationen

Gerlachovsky stit

Tatramassiv aus 10km Entfernung Es gibt in Mitteleuropa ein Hochgebirge, das ist so klein, daß man es schon aus wenigen Kilometern Entfernung auf ein Foto bekommt. Bei einer Länge von nur 26 Kilometern und einer maximalen Breite von 17 Kilometern wird es von verschiedenen Quellen zum kleinsten Hochgebirge der Welt deklariert. Zahlreiche hohe Gipfel, zerklüftete Täler, viele Seen und ein ausgeprochen rauhes Klima bestätigen jedenfalls den großartigen, alpinen Charakter der Hohen Tatra.
Die geringe Ausdehnung und wachsende Besucherzahlen haben jedoch zu einer Reihe von Beschränkungen geführt, an die der Wanderer gebunden ist. Seit 1912 verbindet die Tatrabahn die Orte am Südfuß des Gebirges So sind viele Wanderwege außerhalb der Sommersaison, zum Teil bis Ende Juni, gesperrt. Und die Besteigung vieler hoher Gipfel ist nur mit einem Bergführer erlaubt. Dies erfordert jeweils finanziellen und organisatorischen Aufwand. Es gibt aber auch gute Nachrichten. So wartet ein relativ dichtes Netz von Schutzhütten und Gasthäusern auf einen Besuch. Und auch nach ausgedehnten Wanderungen gelangt man mit der guten alten Tatrabahn relativ problemlos zum Ausgangspunkt zurück. Im Zentrum des Gebirges befindet sich dessen höchster Berg, sein Gipfel ist natürlich mein Ziel. Also auf nach Stary Smokovec ins Büro der Bergführer. Dort lasse ich mir einen Termin geben, zahle etwa 50DM für den Aufstieg in einer Fünfergruppe und hoffe die nächsten beiden Tage auf schönes Wetter.
Tatrahauptkamm vom westlichen Eckpfeiler, dem Krivan aus gesehen Pünktlich um sechs Uhr bin ich am Treffpunkt in Tatranska Polianka. Von hier sind es normalerweise zwei Stunden Fußmarsch auf einer Teerstraße zum eigentlichen Ausgangspunkt der Tour, dem Berghotel Sliezsky dom (Schlesierhaus). Doch welche Überraschung, der Bergführer lädt uns in seinen Skoda und in rascher Fahrt überwinden wir die ersten fünfhundert Höhenmeter. Wir, das sind ein älterer polnischer Professor, ein slowakischer Bergsteiger mit seinen beiden erwachsenen Kindern, der Bergführer und ich.
Das Schlesierhaus am Bergsee Velicke pleso Am Schlesierhaus schultern wir die Rucksäcke und am Ufer des Sees Velicke pleso (Felkaer See) entlang geht es hinein in das Tal Velicka dolina. Plaudernd lernen wir uns kennen und ich erfahre viel Interessantes über die Tatra im Allgemeinen und unsere heutige Tour im Besonderen. Wir passieren einen kleinen Wasserfall und bald darauf verlassen wir den markierten Anstiegsweg und wenden uns nach links der steilen Felswand zu. Hier bekommen wir einen Klettergurt verpaßt und binden uns ins Seil. Dann geht es entlang einer Rinne fast senkrecht empor. Einige Stufen im Fels sind mit Ketten gesichert, so daß die Kletterei nie wirklich schwierig wird, sondern einfach nur Spaß macht. Geschafft! Rasch gewinnen wir an Höhe und die Aussichten während der kurzen Pausen werden immer überwältigender. Zunächst bestimmen die gegenüberliegenden Granatspitzen das Bild, dann sieht man den Slavkovsky stit (Schlagendorfer Spitze) und später den Lomnicky stit (Lomnitzer Spitze) sowie weiter entfernt gelegene Gipfel. Schließlich erreichen wir eine Scharte und halten eine längere Rast. Danach geht es in ständigem Auf und Ab oberhalb eines großen Kessels zu einer weiteren Scharte. Die Kletterei hält uns bei Laune und man merkt gar nicht, wie die Zeit vergeht. Einige schwierigere Passagen sind mit Eisenklammern und Ketten gesichert und geben dem Ganzen etwas zusätzliche Würze. Der Gipfel kommt in Sicht und entlang einer Schlucht steigen wir weiter zu ihm auf. Nach knapp vier Stunden stehen wir am Gipfelkreuz.
Am Seil des Bergführers abwärts Wir binden uns aus dem Seil und verteilen uns auf dem Gipfelplateau. Schon schnurren Fotoapparate und zischen Wasserflaschen. Die Fern- und Tiefblicke bei strahlend blauem Himmel sind einfach ein Genuß. Schön auch die Quellwolken, die sich tief unter uns in den Tälern bilden. Nach einer halben Stunde Gipfelrast machen wir uns an den Abstieg. Am Seil des Führers steigen wir durch eine Schlucht auf der Südwestseite des Berges hinab. Die Kletterei durch brüchiges Gestein erfordert Konzentration, um andere Seilschaften nicht durch Steinschlag zu gefährden. Durch dichter werdende Wolken geht es über eine letzte, Am Bergsee Batizovske pleso mit Ketten und Eisenklammern gesicherte Steilstufe abwärts und nach zwei Stunden haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. An einem Bach erfrischen wir uns und wandern dann hinunter zu dem schön gelegenen See Batizovske pleso. Von hier führt ein gut ausgebauter Steig durch Kuschelkiefern und Heidelbeersträucher zurück zum Ausgangspunkt der Tour. Noch vor 15 Uhr sitzen wir bereits gemeinsam im Schlesierhaus und lassen Bier oder Cola durch die trockenen Kehlen zischen.

August 2001

Nach oben

Zurück zur Auswahl

Gerlachovsky stit, Gerlsdorfer Spitze, Tatra, Hohe Tatra, Stary Smokovec